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Neue IMPULS-Studie: Gesetz zu Sorgfaltspflichten

Der überwiegend klein- und mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau setzt sich weltweit für gute und sichere Arbeitsbedingungen und die Achtung und Einhaltung von Menschenrechten ein. Menschenrechte sind nicht verhandelbar und auch die unternehmerische Mitverantwortung wird anerkannt.

Missstände im Ausland werden angesprochen und im Rahmen der Möglichkeiten Einfluss auf deren Beseitigung oder Verbesserung genommen. Jedes Sorgfaltspflichtengesetz muss sich daran messen lassen, ob es für den industriellen Mittelstand rechtssicher und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist. Ein Kurzgutachten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel für die IMPULS-Stiftung analysiert die Auswirkungen des Sorgfaltspflichtengesetzes, so wie es im Juni 2021 vom Bundestag beschlossen wurde. Zentrale Ergebnisse sind, dass Zulieferern aus Entwicklungsländern die Möglichkeit zu Wohlstand durch Handel zu kommen, erschwert wird und dass die internationale Arbeitsteilung zurückgeht. Besonders betroffen ist der Maschinenbau in Deutschland.

Die Kosten für importierende Unternehmen steigen
Ein solches Gesetz, das auch auf europäischer Ebene in Vorbereitung ist, erhöht per se die Kosten pro Lieferantenbeziehung, da importierende Unternehmen jeden Lieferanten in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards prüfen müssen bzw. diese Pflichten weiterreichen. Über die buchhalterischen Kosten hinaus besteht zudem das Risiko, dass Menschenrechtsverstöße zuerst unentdeckt bleiben und irgendwann durch Strafzahlungen bzw. den Ausschluss von öffentlichen Vergaben sanktioniert werden. Diese impliziten Kosten und Risiken werden Auswirkungen haben auf das Verhalten von Unternehmen. Um insbesondere die impliziten Kosten zu minimieren, werden Unternehmen die Anzahl ihrer Zulieferer reduzieren bzw. Teile der Lieferketten in Industrieländer verlagern, in denen die Risiken von Menschenrechtsverletzungen nicht gegeben, geringer bzw. leichter zu überwachen sind. Diese Abkehr von der internationalen Arbeitsteilung führt ebenfalls zu höheren Produktionskosten, reduziert die Wettbewerbsfähigkeit betroffener Unternehmen und macht diese zudem anfälliger für idiosynkratische Schocks, da die Abhängigkeit von weiter bestehenden Zulieferern erhöht wird. Handelt es sich bei den betroffenen Vorprodukten um kritische Inputs ohne nahe Substitute, so könnte im schlimmsten Fall das gesamte Geschäftsmodell bedroht sein.

Deutliche Risiken für die Zulieferer
Auch aus der Perspektive der Zulieferer insbesondere in Entwicklungsländern erhöhen sich die Exportkosten, da sie durch bürokratische Prozesse ihre Unbedenklichkeit im Hinblick auf die Achtung von Menschenrechten für jeden Importeur separat nachweisen müssen. Je nach Ausgestaltung einer möglichen europäischen Regulierung könnte sich diese Dokumentationspflicht wiederum auch auf die Kontrolle der eigenen Lieferanten erstrecken. Die Folge ist ein Verlust an Exportgeschäft bis hin zum Marktaustritt. Entsprechend geht Beschäftigung entweder ganz verloren oder aber sie wird vom Exportsektor weg auf den inländischen Markt verlagert. Die volkswirtschaftliche Literatur hat  eindeutige empirische Belege dafür hervorgebracht, dass exportierende Unternehmen, auch in Entwicklungsländern, im Durchschnitt höhere Löhne zahlen, besser qualifizierte Mitarbeiter einstellen und sogar mehr auf Corporate Social Responsibility achten als Unternehmen, die nur den heimischen Markt bedienen. Ein Gesetz wirkt sich somit im schlimmsten Fall kontraproduktiv aus, indem es genau jenen Zulieferern in Entwicklungsländern schadet, die den größten Wert auf Menschenrechte und Umweltstandards legen. Gut gemeint ist hier aus Sicht der Entwicklungsländer also nicht zwingend auch gut gemacht.

4,2% ihrer direkten Vorprodukte beziehen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau aus Ländern, in denen laut Internationalem Gewerkschaftsbund Arbeitnehmerrechte nicht garantiert werden.

Erhebliche Auswirkungen für den Maschinenbau
Die Unternehmen des Maschinen– und Anlagenbaus in Deutschland sind in erheblichem Maße von einem solchem Gesetz betroffen. Nach Schätzung der Wissenschaftler um Prof. Felbermayr beziehen Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau mindestens 4,2% ihrer direkten Vorprodukte aus Ländern, in denen laut Internationalem Gewerkschaftsbund Arbeitnehmerrechte nicht garantiert werden (das sind 16,2% der gesamten importierten Vorprodukte, ein erheblicher Anteil der Vorprodukte stammt aus Deutschland selbst). Berücksichtigt man auch jene Länder, in denen systematische Verletzungen der Arbeitnehmerrechte beobachtet werden, so ergibt sich ein Anteil der problematischen Länder an den insgesamt verwendeten Vorprodukten in Höhe von 6,5% (entspricht 25,1% der importierten Vorprodukte). Erstreckt sich die unternehmerische Sorgfaltspflicht, wie aktuell auf EU-Ebene diskutiert, auch auf die mittelbaren Zulieferer, so würde dies die aktiv zu prüfenden Lieferantenbeziehungen nochmals stark erhöhen. Bezogen auf alle Zulieferungen, also auch jenen aus Deutschland, erhöht sich der Anteil aus Ländern mit laut Internationalem Gewerkschaftsbund problematischen Arbeitsbedingungen auf 8,9% (keine Garantie der Arbeitnehmerrechte) bzw. 12,9% (systematische Verletzungen von Arbeitnehmerrechten.

Die Zahlen sind hierbei nicht abschließend, da einerseits der verwendete Index nicht alle Tatbestände erfasst, die das Sorgfaltspflichtengesetz adressiert, und auch nicht alle kritischen Länder erfasst werden. Die Zahlen sind daher Mindestwerte. Da es sich bei den angegebenen Werten zudem um einen Branchendurchschnitt handelt ist davon auszugehen, dass einige Unternehmen noch wesentlich abhängiger von Ländern mit problematischen Arbeitsbedingungen sein dürften.

Alternative im Sinne von Menschenrechten und Wettbewerbsfähigkeit
Eine Alternative zum Sorgfaltspflichtengesetz in seiner aktuellen Form ist ein europäischer Listenansatz. Neben einer „EU Green List“, die Staaten umfasst, in denen ein hohes Niveau an gesetzlichen Standards besteht und die Rechtsdurchsetzung garantiert ist, könnte sich nach Ansicht der Studienautoren vor allem ein Negativlistenansatz anbieten. Diese behördlich geführte Liste mit Unternehmen, zu denen europäische Firmen keine Beziehungen pflegen dürfen, bringt den Vorteil mit sich, dass Zulieferer nicht mehr eigenständig durch Unternehmen geprüft werden müssten. Auf diese Weise können Doppelprüfungen durch mehrere Importeure vermieden werden, was zu geringeren Kosten für Im- und Exporteure führen würde. Außerdem hätten Unternehmen keinen Anreiz die Zahl ihrer Zulieferer zu reduzieren, wodurch sich unerwünschte Nebenwirkungen in Entwicklungsländern vermeiden ließen. Über einen Negativlistenansatz könnten Menschenrechte in den betroffenen Ländern eher gestärkt werden, während gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen sichergestellt wäre.

Die Studie steht zum Download unter https://www.impuls-stiftung.de/studien zur Verfügung.