Die gemessene Produktivität im deutschen Maschinenbau ist in den Jahren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 gesunken – bei gleichzeitig guter Auslastung, steigenden Gewinnen sowie Rekordbeschäftigung.
Diese paradoxe Entwicklung ist nicht auf eine einzelne Ursache zurückzuführen, sondern auf das Zusammenspiel mehrerer Faktoren.
Dazu zählen die Anfangsinvestitionen in die Digitalisierung, die sich erst später auszahlen werden, aber auch statistische Effekte, die durch eine zunehmende Internationalisierung des Maschinenbaus entstehen. Hinzu kommt, dass die amtliche Statistik die Preissteigerung tendenziell über- und die Produktivitätsentwicklung dadurch unterschätzt. Und schließlich spielt der steigende Dienstleistungsanteil im Maschinenbau eine maßgebliche Rolle. „Gerade die fortschreitende Digitalisierung im deutschen Maschinenbau wird dazu beitragen, dass die Branche mittel- bis langfristig Produktivitätsgewinne einfährt“, so Dr. Thomas Lindner, Vorsitzender des Kuratoriums der IMPULS-Stiftung.
Dies sind die zentralen Ergebnisse der Studie „Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau“, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) gemeinsam im Auftrag der IMPULS-Stiftung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) durchgeführt haben.
Ausgangspunkt der Studie ist das Phänomen, dass sich die Maschinenbaubranche in Deutschland nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 widersprüchlich entwickelt hat. Auf der einen Seite stiegen Beschäftigung und Exporte. Auf der anderen Seite stagnierte die Produktivität in einer der industriellen Leuchtturm-Branchen Deutschlands. Produktivitätsgewinne sind aber eine wesentliche Stellschraube für nachhaltigen Erfolg, für Wettbewerbsfähigkeit, für Wachstum und Erträge, die investiert, aber auch an Eigentümer und Mitarbeiter ausgeschüttet werden.
„Für einen so innovativen und international aufgestellten Industriezweig wie den deutschen Maschinenbau ist diese widersprüchliche Entwicklung nicht nur erstaunlich, sondern auch einzigartig im Vergleich zu anderen Branchen in Deutschland und dem Maschinenbau in anderen Ländern“, sagt Dr. Christian Rammer, stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ sowie Projektleiter der Studie. „Die Kernfrage, die wir uns gestellt haben, war daher: Was sind die Ursachen für das Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau in Deutschland?“, erklärt Rammer weiter.
„Gerade die fortschreitende Digitalisierung im deutschen Maschinenbau wird dazu beitragen, dass die Branche mittel- bis langfristig Produktivitätsgewinne einfährt.“
Die auf empirische Analysen und Interviews mit Unternehmen fundierte Studie untersucht sieben Ansätze zur Erklärung des Produktivitätsparadoxons im Maschinenbau, von denen sich vier im Ergebnis der Studie erhärten und sich für drei keine empirischen Belege finden. Zu den vier relevanten Erklärungsansätzen zählt erstens der temporäre Effekt, dass der digitale Wandel in der Produktion des Maschinenbaus bislang noch keine größeren Produktivitätsgewinne auf breiter Front liefert. Dies liegt u.a. daran, dass neue Geschäftsmodelle erst in der Entstehung sind.
Zweitens trägt die zunehmende internationale Ausrichtung der Branche statistisch zu einem Produktivitätsrückgang bei, da an Auslandsstandorten erwirtschaftete Gewinne nicht in die Produktivität am Standort Deutschland einfließen, die hier getätigten Aufwendungen für die Erfolge auf Auslandsmärkten (FuE, Konstruktion, Marketing, Verwaltung) jedoch schon.
Drittens steigt der Dienstleistungsanteil im deutschen Maschinenbau kontinuierlich – einerseits erschließt das neue Geschäftspotentiale, andererseits ist dies ein Zweig, der strukturell ein niedrigeres Produktivitätsniveau hat, da Dienstleistungen weniger gut automatisierbar sind.
Viertens zeigt sich, dass sich die Preisentwicklung im Maschinenbau nur schwierig erfassen lässt, weil sich die Produkte über die Zeit stark verändern und verbessern, beispielsweise durch Innovationen, oder kundenspezifischer zugeschnitten werden. Dadurch werden die reale Bruttowertschöpfung und damit die Produktivitätsentwicklung in der amtlichen Statistik unterschätzt.
Dagegen schließt die Studie als Ursachen für das Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau aus, dass der Trend zu Losgröße Eins und die Verbreiterung des Sortiments, eine Investitionszurückhaltung in der Branche oder eine vorsorgliche Beschäftigung von aktuell nicht benötigten Fachkräften als Gründe für die sinkende Produktivität in Frage kommen.
Um dem Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau nachhaltig zu begegnen, zeigt die Studie schließlich, dass sich einerseits für Betriebe gezielte strategische Investitionen in Technologien, die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, insbesondere auch aus bereits bestehenden Dienstleistungen sowie branchenübergreifende Kooperationen lohnen. Andererseits ist die Politik in der Pflicht, eine gute Infrastruktur und insbesondere flächendeckenden Zugang zu schnellem Internet zu gewährleisten.
Hinzu kommt, dass die Messung der Preisentwicklung im Maschinenbau generalüberholt werden sollte, um letztlich die Produktivitätsentwicklung der Branche besser abbilden zu können. Hier legt die Studie ein einheitliches Messkonzept anhand der Kostenstrukturstatistik des Statistischen Bundesamtes nahe, wobei die Preisbereinigung der erhobenen wirtschaftlichen Daten über den Erzeugerpreisindex laufen sollte.
Die Studie „Produktivitätsparadoxon im Maschinenbau“ können Sie hier downloaden.